Schlüssel

Die „Goldene Regel“ ist kein Spezialitätenrestaurant

Jürgen Ferrary
6. Februar 2025

Ich habe als Kind wenig Erziehung oder gar Werte mitgegeben bekommen. Aber eine Regel habe ich immer wieder gehört, besonders, wenn ich wieder einmal andere Kinder geärgert hatte: „Was du nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinem andern zu!“ Ich habe mich dabei jedoch nie gefragt, warum ich dann, wenn der Satz wahr ist, so oft von meiner Mutter verhauen wurde.

Du kennst sicherlich diese Regel. Ich muss zugeben, dass ich sie auch schon ein Stück vorwurfsvoll meinen Kindern gesagt habe. Als Regel passt dieser Satz in alle möglichen Situationen, begonnen beim eben schon erwähnten Streit unter Kindern über den Ehekrach bis hin zu den großen Konflikten in der Welt.

Wenn wir Streitigkeiten mit dieser Regel austragen würden, ginge es unserer Welt sehr viel besser. Es gibt ihn in etwas abgewandelter Form in sehr unterschiedlichen Kulturen und Religionen. So wird er sowohl Konfuzius als auch dem Buddhismus zugeschrieben, der griechisch-römischen Antike ebenso wie dem Islam. 

Heute ist dieser Satz als „goldene Regel“ bekannt – und das schon seit Jahrhunderten: Anglikanische Christen prägten den Ausdruck „golden rule“ seit 1615. Jedoch wird diese Regel in der Bibel etwas anders formuliert. Jesus gibt sie seinen Zuhörern bei seiner berühmten Predigt auf dem Berg mit auf den Weg.

Seine Worte drehen den Sinn ins Positive um. Es geht nicht darum, was wir nicht tun sollten, sondern darum, was wir tun sollten. Jesus sagt: „Geht so mit anderen um, wie die anderen mit euch umgehen sollen. In diesem Satz sind das Gesetz und die Propheten zusammengefasst“ (Matthäus 7,12 NLB). Alles, was wir wollen, dass uns die Menschen tun, sollen wir also den Menschen tun. 

Und das nicht nur im Negativen, sondern auch im Positiven. Das ist eine ziemliche Verantwortung. Ich beziehe das jetzt nur einmal auf das Leben in einer christlichen Gemeinde. Welche Erwartungen hast du, wenn du in die Kirche gehst?

Du möchtest an der Tür freundlich begrüßt werden, du möchtest eine herzliche, einladende Atmosphäre erleben, Menschen, die dich freundlich in ihre Mitte nehmen. Vielleicht erwartest du einen aufregenden und dennoch tiefen Kindergottesdienst, eine ansprechende Kultur bei den Erwachsenen, großartige Predigten und neben dem Gottesdienst Angebote über die ganze Woche verteilt.

Das alles ist verständlich. In eine solche Gemeinde geht man gerne. Wenn dann jemand krank ist, wird sich um diesen Menschen ebenso gekümmert wie um die junge Mutter, die gerade ihr Baby bekommen hat. 

Jesus sagt: „Geht so mit anderen um, wie die anderen mit euch umgehen sollen.“ Es ist interessant, wie viele Wünsche und Erwartungen wir haben, aber wie schnell wir uns wegducken oder Ausreden parat haben, wenn es darum geht, dass Mitarbeiter gesucht werden. 

Soll ich ein wirklich „böses“ Beispiel nennen? Wir allen wollen eine saubere Gemeinde haben, aber sind wir auch die ersten, die sich melden, wenn es ums Thema Putzen geht? Oder um den Kinderdienst? Die Menschen, die fröhlich „Guten Morgen“ an der Tür sagen?

Jesus nennt die „Goldene Regel“ aus zwei Gründen: Zum einen, damit wir lernen, wie wir miteinander umgehen sollen, ganz klar, aber eben auch, weil sie etwas mit unserem Leben zu tun hat. Gott beschenkt dich mit einer ganzen Reihe Dingen: Zeit, Gaben und Begabungen, Liebe, Weisheit und vielem mehr. Wenn du sie einsetzt, dann wird dir das im Leben nichts rauben, sondern dein Leben reicher machen. 

So wie du gerne behandelt werden willst, behandle auch andere. Wenn du ein dienendes Herz entwickelst, wirst du nicht nur das Leben anderer positiv beeinflussen, sondern letztendlich dein eigenes. Die „Goldene Regel“ ist kein Spezialitätenrestaurant, sondern ein Weg, einen Unterschied zu machen.

Sei gesegnet! 

„Du bist ein Geschöpf Gottes! Glaube es, verhalte Dich danach und behandle andere so, wie Du von Gott behandelt werden willst!“ (R. K.)

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