„WÜTEND WIE JESUS“
– so hieß das Thema, zu dem ich gestern zum Predigen eingeladen war. Ja, ich muss es zugeben: Es gibt eine ganze Reihe Dinge, die mich wütend machen. Wenn ich den Fernseher einschalte und sehe, dass Krankenhäuser und Schulen bombardiert werden, ganze Wohnblöcke dem Erdboden gleichgemacht oder auf Flüchtlingstrecks geschossen wird, dann könnte ich vor Wut platzen. Aber darf ich das eigentlich als Christ, wütend sein?
Es sind nicht immer die großen Dinge – auf dem Weg zum Gottesdienst schneidet ein Auto in wüster Rowdy-Manier mein Motorrad und ich merke, wie die Wut langsam, aber unaufhaltsam in mir aufsteigt.
Jeder von uns hat gewisse Punkte, an denen er reizbar ist. Es ist, als müsse unser Gegenüber nur die richtigen Schalter bei uns umlegen, und wir werden von einer Sekunde zur nächsten zum wilden Tier. Und hinterher, da fühlen wir uns nicht gut, weil unsere Reaktion jetzt nicht gerade von Nächstenliebe geprägt war.
Mein Gewissen beruhigt sich dann immer mal wieder, wenn ich daran denke, dass Jesus im Tempel die Händler hinausgeworfen und sogar Tische umgeschmissen hat. Da war er doch sicherlich auch wütend, oder? Also habe ich doch auch das Recht, sauer zu sein, wenn andere mich reizen?
EIN GROBER UNTERSCHIED
Einen groben Unterschied gibt es: Jesus hat sich nie von seiner Wut einfach leiten lassen. Gerade im Tempel hat er gezeigt, dass er seine Gefühle unter Kontrolle hatte, denn er hat auf den einen Missstand gezielt reagiert. Er konnte es nicht ertragen, dass man das Haus seines Vaters entweiht hatte.
Und gegen diesen Missstand ging er gezielt vor. Wenn das so bei uns wäre, wäre unsere Gesellschaft ein ganzes Stück friedfertiger. Die Predigerin Joyce Meyer hat einmal gesagt, wir erlebten gerade eine wahre „Wut-Epidemie“. Ich gebe ihr recht.
Unsere Gesellschaft wird immer aggressiver, was man allein an dem Umgang untereinander – auch unter den Christen – bei den unterschiedlichen Positionen zur Corona-Impfung oder den Corona-Maßnahmen sieht. Wie oft bin ich – auch von Menschen, von denen ich eigentlich dachte, dass sie mich gernhaben – in den vergangenen Wochen wüst beschimpft worden?
Und wie sehr merke ich, dass mich das ärgert und ich genauso wenig angemessen reagiere. Benjamin Franklin hat einmal gesagt: „Was im Zorn beginnt, endet übel. Wut hat immer einen Grund, aber selten einen guten.“
WAS TUN BEI WUT?
Was soll ich also tun, wenn ich wütend bin? Die Wut herunterschlucken ist keine Option. Sich aber wild herumstreiten, ebenso wenig. Paulus schreibt an einen seiner Mitarbeiter: „Lass dich nicht auf törichte und nutzlose Auseinandersetzungen ein. Du weißt ja, dass sie nur zu Streit führen. Wer Gott dienen will, soll sich nicht herumstreiten“ (2. Timotheus 2, 23 – 24 HfA).
Es ist wichtig, dass wir als Erstes registrieren, dass Wut zu uns dazugehört – ob wir es wollen oder nicht. Und dann ist es notwendig, dass wir lernen, die Wut zu kontrollieren und es nicht zulassen, dass die Wut uns kontrolliert, denn ansonsten werden wir immer wieder in „törichte und nutzlose Auseinandersetzungen“ verwickelt werden, die nur zu Streit führen.
Ich halte es für wichtig, dass wir Christen aufhören, immer wegzugucken und nichts zu sagen, auch, wenn Dinge, die in der Welt passieren, absolut gegen die ethischen, moralischen oder theologischen Maßstäbe von Jesus stehen. Es ist wichtiger denn je, dass wir Flagge zeigen.
Aber ebenso wichtig ist es, dass wir lernen, Kritik konstruktiv und zielgerichtet zu äußern, zu unseren Positionen zu stehen, Licht in der Welt zu sein, ohne uns von Wut oder anderen negativen Gefühlen gefangen nehmen zu lassen und dann so zu reagieren, dass wir uns um des Streites willen – oder um unseres Egos willen – herumstreiten. Das macht keinen Sinn.
„Wütend wie Jesus“ – bedeutet, dass ich mir anschaue, wie er den Menschen gegenüber reagiert hat und dann versuche, ebenso zu reagieren. Und wenn ich scheitere, dann ist es wichtig, zu Gott zu gehen und es ihm abzugeben. Er wird unsere Seele freimachen und uns verändern.
Lasst uns in diese Woche gehen und einen Unterschied machen. Lasst uns zu unseren Positionen stehen, uns aber nicht zu unnötiger Wut und unnötigem Streit hinreißen lassen. Der erste Schritt, nämlich, sich das vorzunehmen, ist ein guter Anfang.
Sei gesegnet!
Weitere Gedanken und einen Song zum Tag gibt es hier: – zum selbst Lesen oder Weiterleiten – https://juergens-gedanken.blogspot.com