Zwei Männer

Woher kennst du mich?

Jürgen Ferrary
24. Mai 2025

Ich bin nicht gut, was Namen angeht. Das liegt vielleicht auch daran, dass ich derzeit etwa 200 Schüler unterrichte. Mein kleiner Speicher im Kopf ist also ziemlich voll. Wenn ich dann irgendwo ehemalige Schüler von mir treffe, dann geschieht es oft, dass ich mich an die Namen nicht mehr erinnern kann. Das ist mir dann sehr peinlich.
Richtig unangenehm war es mir aber auf einem meiner letzten Klassentreffen, als sich eine Frau mit an den Tisch setzte, an dem ich mit ein paar alten Klassenkameraden saß. Leise flüsterte ich meinem Nachbarn zu: „Wer ist das denn?“ Er nannte mir einen Namen, was mir aber auch nicht weiterhalf. Irgendwann bekam das meine ehemalige Klassenkameradin mit und sprach mich an: „Du weißt nicht, wer ich bin, oder?“ Sie hatte absolut recht …

In der Zeit, als ich mit meinen Klassenkameraden noch zur Schule ging, hätte ich es nie gedacht, aber selbst, wenn wir Jesus noch nie begegnet sind, selbst, wenn wir ihn noch nicht kennen, er kennt uns. Und er kennt uns sogar sehr gut.

Als Jesus mit etwa 30 Jahren begann, durch die Lande zu ziehen, zu predigen, zu heilen und Wunder zu tun, lud er Menschen ein, sich ihm anzuschließen. Einer davon war ein Mann namens Nathanael. Die Bibel berichtet:

„Als Jesus Nathanael auf sich zukommen sah, sagte er: »Da kommt ein aufrechter Mann – ein wahrer Sohn Israels.« Nathanael fragte: »Woher kennst du mich?« Jesus antwortete: »Ich sah dich unter dem Feigenbaum, noch bevor Philippus dich rief.«“ (Johannes 1,47-48 NLB).

Ich kann mich noch gut erinnern, als ich einmal in eine Gemeinde in Falkensee zum Predigen eingeladen war. Ich hatte kein Thema vorgegeben bekommen, also betete ich vorher, was ich der Gemeinde sagen sollte. Nach dem Gottesdienst wurde mir klar, dass Gott mir genau die richtigen Gedanken und Worte mitgegeben hatte.

Denn es kam ein älterer Mann auf mich zu und sagte: „Woher kennst du mich? Und woher kennst du meine Lebenssituation? Ich hatte heute den Eindruck, du hast nur für mich gepredigt!“ Leider erlebe ich das nicht jedes Mal, wenn ich predige, aber als ich an dem Tag mit dem Zug nach Hause fuhr, dachte ich: „Gott, du bist echt großartig. Du hast es echt drauf!“

Ich kannte den Mann nur vom Sehen, weil ich schon öfters in dieser Gemeinde war, aber ich wusste nichts über ihn. Aber Jesus tat es! Wenn ich bete, wenn ich in der Bibel lese, wenn Gott Türen öffnet, dann merke ich das immer wieder: Jesus kennt mich (und er kennt dich ebenso).

Er weiß, wie es mir geht, was ich brauche, wo ich leide und wo ich innerlich feiere. Und mir ist klar: Jesus kennt mich sogar besser und tiefer, als ich mich selbst kenne. Er sieht schon das Bild, in das er mich verwandeln möchte, in dem das Schlechte immer weniger Raum hat und das Gute immer mehr durchstrahlt. Das sehe ich an mir nicht!

Wie tief diese Frage in uns steckt – wer bin ich eigentlich? – zeigt ein berühmtes Gedicht von Dietrich Bonhoeffer mit dem Titel: „Wer bin ich?“ Dort heißt es unter anderem: „Bin ich das wirklich, was andere von mir sagen? Oder bin ich nur das, was ich selbst von mir weiß?“

Gott kennt auch dich durch und durch. Er kennt deine Stärken, er kennt aber auch deine Schwächen. Er weiß, wo es dir gutgeht, aber auch, wo du Unterstützung brauchst.

Als Nathanael das versteht, bekennt er: „Rabbi, du bist der Sohn Gottes – du bist der König Israels!“ (Vers 49). Größeres kann ein Mensch nicht erkennen.

Einen klitzekleinen Aspekt muss ich dann doch noch loswerden: Von Nathanael hört man in der ganzen Bibel sonst nichts mehr, außer dieser kleinen Szene. Was das bedeutet? Jesus sucht und kennt nicht nur die großen Stars und Sternchen, sondern Durchschnittsmenschen, wie dich und mich!

Dir und mir gilt seine Liebe, er geht an niemandem vorüber. Er schaut jeden an und sagt: „Ich kenne dich, ich liebe dich, und ich habe einen guten Plan für dein Leben!“

Sei gesegnet!

„Wer bin ich? Der oder jener? Bin ich denn heute dieser und morgen ein anderer? […] Wer ich auch bin, Du kennst mich, Dein bin ich, o Gott!“ (Dietrich Bonhoeffer)

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