fragendes Smilie

Wie oft denn noch?

Jürgen Ferrary
5. März 2025

Petrus kam einmal zu Jesus und fragte ihn: „»Herr, wie oft soll ich jemandem vergeben, der mir unrecht tut? Sieben Mal?« »Nein!«, antwortete Jesus, »siebzigmal sieben Mal!«“ (Matthäus 18,21-22). Selbst, wenn ich diese Zahl nicht als symbolische Zahl ansehe (sieben ist in der Bibel die Zahl der Vollkommenheit, siebzig das „Vielfache“ davon), dann ist das eine Menge, immerhin stolze 490 Mal.

Petrus dachte, er sei ziemlich großzügig. Nach dem jüdischen Gesetz musste man einem Menschen drei Mal vergeben, und dann war Schluss. Man musste ihm nicht mehr vergeben. Also dachte Petrus: „Das Gesetz sagt drei Mal. Was, wenn ich es verdopple und noch eins drauflege? Sieben Mal? (Gott wird wirklich beeindruckt sein!)“

Und dann solch eine Antwort von Jesus.

Kannst du das, einem Menschen 490 Mal vergeben und immer wieder vergeben? Oft denke ich: Wenn ein Mensch mich zwei oder drei Mal enttäuscht oder verletzt hat, möchte ich mit ihm nichts mehr zu tun haben. Aber 490 Mal?

Ich dachte aber sehr lange, dass es genau darum geht, dass wir vergeben, wieder vergeben und wieder vergeben, ganz gleich, was die Person tut, ob sie sich ändert oder ob sie aufhört, uns wehzutun. Das ist ein Aspekt, denn Jesus fordert uns auf, dass wir sogar unsere Feinde lieben sollen. (Was für eine Aufforderung, also ich kann das nicht, nur weil er das sagt).

Es geht aber noch um einen zweiten, sehr wichtigen Aspekt: Vergebung ist kein einmaliger Akt. Ich komme aus einem sehr unschönen Elternhaus und wurde als Kind viel verletzt. Also stand ich irgendwann vor der Entscheidung: Vergebe ich und erlebe innere Heilung oder laufe ich mein Leben lang mit meinem Schmerz, meinen Verletzungen, meinem Groll und meiner Bitterkeit herum.

Ich habe mich dafür entschieden, frei werden zu wollen, also habe ich angefangen, bewusst Vergebung auszusprechen. Was meinst du, was passiert ist? Richtig, nichts. Ich habe mich hinterher nicht freier gefühlt, nicht geheilter, mein Herz war unverändert eine offene Wunde.

Aber ich habe angefangen, wann immer die negativen Gefühle wieder hochkamen, neu Vergebung auszusprechen – und habe bemerkt, dass mich das Stück für Stück verändert hat. Ich habe mein Recht auf Vergeltung aufgegeben und habe mich dazu entschieden, mich mit Liebe füllen zu lassen, damit die Bitterkeit verschwindet.

Vergebung ist ein Prozess, der leider meist nicht beim ersten Mal abgeschlossen ist. Aber auch, wenn ich vielleicht erst einmal nichts spüre, dann bedeutet das nicht, dass nichts passiert. Die Mauer um unser Herz wird so nach und nach mürbe gemacht, bis sie irgendwann einfällt.

Das ist nicht einfach und braucht Geduld. Aber es ist heilsam. Ich bin fest davon überzeugt, dass viele Beziehungen geheilt, viele Ehen gerettet, viele Familien wieder vereint werden würden, würden wir uns dafür entscheiden, was Jesus uns aufträgt: Gib nicht auf. Wenn der Schmerz wiederkommt, vergib noch einmal und dann noch einmal.

Du wirst sehen und erleben, wie sich dein Leben, dein Herz und deine Beziehungen verändern. Und Gott wird dir die Kraft dazu geben, wenn du ihn darum bittest.

Sei gesegnet!

„Vergebung ist keine einmalige Sache, Vergebung ist ein Lebensstil“ (Martin Luther King).

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