Mann und Frau

Wie ein Auto ohne Sprit

Jürgen Ferrary
25. Mai 2025

Einmal stand ich im Supermarkt an der Kasse. Vor mir eine ältere Dame, der plötzlich ein Glas Tomatensauce aus dem Einkaufswagen fiel und auf dem Boden zerschellte. Die roten Spritzer überall. Ich sah, wie sie verlegen zu Boden schaute. Zwei Leute hinter mir rollten die Augen. Die Kassiererin rief nach einem Mitarbeiter. Und ich? Ich stand einfach da. Ich dachte: „Oh nein, das dauert jetzt.“ Erst viel später fiel mir auf, dass ich nichts gemacht hatte. Kein freundliches Wort. Kein „Kann ich Ihnen helfen?“ Kein Taschentuch gereicht, kein Lächeln.
Und ich dachte: Was bringt mein Glaube, wenn er in solchen Momenten schweigt?

Jakobus schreibt: „Was nützt es, wenn jemand behauptet zu glauben, sich der Glaube aber nicht in Taten zeigt?“ (Jakobus 2,14 BB).
Diese Frage trifft mich. Sie zielt mitten ins Herz. Denn sie entlarvt eine bequeme Haltung: Ich glaube – aber bitte so, dass es mich nicht zu viel kostet.

Wir Evangelischen sprechen gern davon, dass wir aus Gnade gerettet sind. Und das stimmt! Das ist die befreiende Botschaft des Evangeliums. Gott liebt uns. Ohne Vorbedingung. Ohne Leistung. Aber manchmal haben wir daraus ein ruhiges Sofa gemacht: „Ich glaube ja, das reicht doch.“ Jakobus aber wirbelt dieses Sofa durcheinander. Er sagt: Glaube ohne Taten ist wie ein Auto ohne Benzin. Es sieht vielleicht gut aus, aber es fährt nicht.

Glaube will sichtbar werden. Er will raus aus dem Kopf, rein ins Leben. Nicht, weil wir uns Gottes Liebe verdienen müssten – sondern weil diese Liebe uns verändert.

Stell dir einen Baum vor. Die Wurzeln sind unser Vertrauen in Gott. Unsichtbar, tief, fest. Aber wenn ein Baum keine Früchte trägt – was stimmt dann nicht? Ist er wirklich lebendig? Genauso ist es mit dem Glauben. Er bleibt nicht unsichtbar, wenn er echt ist. Er zeigt sich. In der Art, wie wir reden. Wie wir mit Menschen umgehen. Was wir tun, wenn keiner hinschaut.

Ein Glaube, der sich nicht zeigt, ist wie ein Licht, das unter einer Decke versteckt ist. Niemand hat etwas davon – weder du noch die Menschen um dich herum.

Natürlich retten uns nicht die Werke. Aber echter Glaube bleibt nicht stumm. Er bringt etwas hervor. Er bringt Mut hervor, den Mund aufzumachen für die, die keine Stimme haben. Er bringt Freundlichkeit hervor, wenn andere genervt sind. Er bringt Barmherzigkeit hervor, wo es gerecht wäre, hart zu sein.

Und manchmal beginnt das schon ganz klein. Bei einer zerbrochenen Tomatensauce auf dem Supermarktboden.

Vielleicht ist genau das heute deine Einladung: Schau mal auf deinen Alltag. Wo kann dein Glaube Hände und Füße bekommen? Wo wartet jemand auf deine Tat – nicht auf deinen frommen Gedanken?

Denn: Der Glaube ist kein Abzeichen, das wir uns ans Revers heften. Er ist eine Bewegung. Eine Entscheidung. Immer wieder neu.

Geh nicht einfach weiter, wenn du eine Gelegenheit siehst, Gutes zu tun. Du musst nicht perfekt sein. Aber echt. Und ehrlich. Und mutig genug, deinen Glauben zu leben – auch wenn es nur im Kleinen beginnt.

Sei gesegnet!

„Man erkennt den Wert eines Menschen nicht an dem, was er glaubt, sondern an dem, was er tut.“ (Jean-Paul Sartre).

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