Habakuk schaut zu Gott

Wenn Gott festhält

Jürgen Ferrary
10. Oktober 2025

Das Buch Habakuk endet mit einem erstaunlichen Satz. Habakuk ruft aus: „Ja, Gott, der Herr, macht mich stark; er beflügelt meine Schritte, wie ein Hirsch kann ich über die Berge springen.“ (Habakuk 3,19 HfA). Wenn man bedenkt, was dieser Prophet bereits wusste, ist seine schiere Hoffnung überwältigend.

Wenn man bedenkt, was Habakuk wusste, als er das sagte, ist seine Hoffnung erstaunlich. Gott hatte ihm gezeigt, dass das Volk Israel von den grausamen Babyloniern überfallen würde. Zerstörung, Leid, Exil – das stand bevor. Und doch endet das Buch mit diesen kraftvollen Worten.

Es ist, als würde Habakuk sagen: „Auch wenn der Feigenbaum keine Blüten trägt und kein Vieh mehr im Stall steht – der Herr bleibt in seinem heiligen Tempel. Auch wenn es schlimmer wird, bevor es besser wird – Gottes Wort bleibt wahr. Ich werde meine Kraft und meine Hoffnung im Herrn finden, und er wird mich zu neuen Höhen führen.“

Habakuk hat sich entschieden, Gott zu vertrauen. Nicht blind, nicht naiv, sondern ringend. Er hat mit Gott gerungen – und mit sich selbst. Und doch: Am Ende bleibt die Gewissheit, dass Gott größer ist als das, was ihn niederdrückt.

Das ist die Stärke seines Glaubens: Er nimmt die Realität an – und hält trotzdem fest an der Hoffnung.

Wenn wir nichts aus den Andachten der letzten Tage mitnehmen, dann doch wenigstens einen kleinen Aspekt: Der Name Habakuk bedeutet übersetzt auf deutsch: „ringen“ und „umarmen“ – beides zugleich!
Und genau das beschreibt, was gelebter Glaube oft ist: Wir ringen mit Gott, mit dem Leben, mit unseren Fragen – und werden zugleich von Gott gehalten.

Ich erinnere mich, wie ich als Kind einmal selbst „gehalten“ wurde – auf ziemlich schmerzhafte Weise.
Ich war neun Jahre alt und hatte mir den Ellenbogen kompliziert gebrochen. Wochenlang trug ich einen Gips, der meinen ganzen Arm und sogar die Schulter fixierte. Als er endlich abkam, war mein Ellenbogen steif wie Beton.

Tag für Tag schleppte ich mich zur Physiotherapie. Doch egal, wie sehr der Therapeut meinen Arm bewegte – nichts tat sich. Irgendwann begann er mit Übungen, die ich nie vergessen werde. Er hielt mich an Schulter und Handgelenk fest – und drückte mit aller Kraft. Ich schrie vor Schmerz.

Ich war immer sein letzter Patient des Tages – wahrscheinlich, damit niemand mein Weinen hörte. Aber das Erstaunliche war: Es wirkte. Stück für Stück gewann ich die Beweglichkeit zurück. Wann immer er den Druck wegnahm, spürte ich: Jetzt kann ich den Arm ein kleines Stück weiter strecken.

Heute ist er wieder heil – fast vollständig. Und manchmal denke ich: So ist Gott.

Manchmal hält er uns fest. Nicht, um uns wehzutun, sondern weil er weiß, was nötig ist, damit wir wirklich heil werden. Manchmal müssen Dinge erst „gedrückt“ werden, bevor sie wieder beweglich werden.

Das fühlt sich nicht heilig an, eher schmerzhaft. Aber es ist heilsam. Denn auch wenn wir mit Gott ringen – wir tun es in seinen Armen.

Wir ringen – und wir werden gehalten. Beides zugleich.

Und genau dort, in seiner Umarmung, liegt Hoffnung. Nicht die naive Hoffnung, dass alles sofort gut wird, sondern die tiefe Gewissheit: Gott führt mich zu neuen Höhen.

Sei gesegnet.

„Hoffnung ist das Vertrauen, dass das, was weh tut, nicht umsonst ist“ (Unbekannt).

Mehr Gedanken

WordPress Cookie Hinweis von Real Cookie Banner
Warning