„Wir leben doch alles aus der Vergebung“, hat mir jemand in einer Gemeinde einmal gesagt, als es um die innere Heilung eines Menschen ging. Starker Spruch. Aber was bedeutet er eigentlich?
Wir haben manchmal etwas für mein Empfinden verworrene Vorstellungen von dem, was Vergebung eigentlich ist: Vergeben können wir erst, wenn uns jemand um Vergebung bittet. Vergebung bedeutet, das Unrecht und den Schmerz, der verursacht wurde, zu verharmlosen.
Vergebung bedeutet, Vertrauen wiederherzustellen und eine Beziehung zu versöhnen. Du hast erst dann vergeben, wenn du das Unrecht vergessen hast. Diese und noch einige mehr sind gängige Vorstellungen von dem, was Vergebung ist.
Aber ganz ehrlich, alle Behauptungen sind aus der Perspektive Gottes nicht richtig. Das Wichtigste, wenn es um die Vergebung geht, ist die Motivation. Und die ist Liebe! Wir leben alle aus der Vergebung, weil Gott uns vergeben hat. Und Gott hat uns vergeben, weil er uns liebt. Deshalb – so fordert er uns auf – sollen auch wir anderen vergeben.
Die Bibel sagt: „Die Liebe nimmt sich keine Freiheiten heraus, sie sucht nicht den eigenen Vorteil. Sie lässt sich nicht zum Zorn reizen und trägt das Böse nicht nach“ (1. Korinther 13,5 GNB). Die Liebe – und das bedeutet Vergebung – trägt das Böse nicht nach.
Vergebung bedeutet also, das Böse nicht festzuhalten, sondern loszulassen. Deswegen ist sie – wenn das Motiv die Liebe ist – bedingungslos. Sie hängt nicht von der Reaktion meines Gegenübers ab. Sie kann auch nicht erarbeitet oder verdient werden. Wenn ich mich entscheide, zu vergeben, dann entscheide ich mich, das Böse loszulassen.
Das verharmlost das Böse jedoch nicht. Ich habe einmal gehört, dass „verletzt werden“ und „Unrecht erleiden“ zwei unterschiedliche Dinge seien. Wenn ich verletzt werde, dann geschieht das unabsichtlich. Wenn mir jemand Unrecht tut, dann tut mir jemand absichtlich etwas Schlechtes.
Die Folge daraus: Verwundet zu sein ist etwas Zufälliges und erfordert keine Vergebung, wohl aber Heilung. Unrecht getan zu werden bedeutet, dass jemand absichtlich etwas getan hat, um dir zu schaden, und das erfordert Vergebung.
Vergebung bedeutet auch nicht, dass ich das Geschehene vergessen muss. „Vergeben und vergessen“ lautet ja ein geflügeltes Wort. Vergebung ist eine Entscheidung. Ich entscheide mich, loszulassen, selbst, wenn meine Gedanken und mein Gefühl nicht hinterherkommen.
Es ist unmöglich, zu versuchen, etwas zu vergessen. Wenn du versuchst, etwas zu vergessen, worauf konzentrierst du dich dann? Auf genau das, was du vergessen willst.
Der Schlüssel für Vergebung ist ein anderer. Gott hat uns Menschen vergeben, obwohl wir es weder verdient noch darum gebeten haben. Wenn wir Gott darum gebeten haben, uns zu vergeben, hat er es schon lange getan. Und deshalb sollte unsere Perspektive eine andere sein, nämlich die Perspektive Gottes!
Wenn ich mich dazu entscheide, zu vergeben, dann schaffe ich Platz in meinem Herzen, Platz für Heilung und Platz für die Liebe und den Segen Gottes. Und ich kann darauf vertrauen, dass das Böse, das mir angetan wurde, nicht das letzte Wort hat. Gott kann böse Dinge in unserem Leben in Gutes verwandeln, wenn wir ihm vertrauen und in der richtigen Weise darauf reagieren.
Er hat es versprochen. Es gibt immer einen Preis für Sünde. Und es gibt immer einen Preis für Vergebung. Deshalb ist es wichtig zu verstehen, was Vergebung nicht ist und was Vergebung ist. Lass uns in den nächsten Tagen auf eine kleine Reise machen, um das Thema Vergebung besser zu verstehen.
Sei gesegnet!
„Vergebung ist die Macht, welche die Ketten der Bitterkeit und die Fesseln der Selbstsucht zerbricht“ (Corrie ten Boom).