Lobpreis im roten Licht

Der Glaube: Ein Glas Rotwein oder ein Feuer?

Jürgen Ferrary
1. Mai 2025

Jürgen Kaube, Herausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, stellte kürzlich klar: Der christliche Glaube muss seine „Nichtersetzbarkeit“ nachweisen, wenn er überleben will. „Jesus wird sich durch Yoga nicht ersetzen lassen, darin unterscheidet sich die Kirche von einer wirtschaftlichen Organisation, die bei Absatzschwäche ihre Produktionsziele austauschen kann“, schreibt er.

Passend dazu hörte ich einen katholischen Theologen sagen: Viele kirchliche Events seien gesellschaftlich und kulturell irrelevant – andere könnten sie schlicht professioneller und mitreißender gestalten.

Ich hätte am liebsten laut „Bravo!“ gerufen. Noch einmal Kaube: Der Glaube dürfe nicht für das stehen, „was überall gesagt wird. Salopp formuliert, er müsste einen eigenen Witz, eine streitbare Pointe haben. Er müsste überraschen können.“

Ist der Glaube nur eine Gemeinschaft von Gleichgesinnten mit Subkultur-Charakter? Ist das Christentum zum spirituellen Anbieter unter vielen geworden – ein wenig Meditation, ein bisschen Gefühl?

Viele Menschen in unserem Land glauben zwar an ein „höheres Etwas“, aber was bleibt davon, wenn dieses Etwas inhaltsleer ist? Kaube sieht darin eine „Zwischenstation zur religiösen Gleichgültigkeit“ – wenn Spiritualität sich vom konkreten Glauben löst.

Das Lukasevangelium setzt dem einen starken Kontrast entgegen. Lukas schreibt: „Ehrfürchtiges Staunen erfasste die Zuschauer. Sie priesen Gott und sagten: »Heute haben wir wirklich Unglaubliches gesehen.«“ (Lukas 5,26 NLB).
Zuvor hatte Jesus das Leben eines Gelähmten verwandelt – sichtbar, spürbar, erfahrbar.

Doch wie gehen wir heute mit solchen Texten um? Wunder – das klingt für viele nach Mythos oder Märchen der Vergangenheit. Aber wenn Gott nur „damals“ gehandelt hat, nicht aber heute – was unterscheidet unseren Glauben dann noch von Meditation oder Yoga?

Wann hat Gott uns zuletzt ins Staunen versetzt? Wann haben wir erlebt, dass er konkret eingegriffen hat? Wenn wir das nicht mehr erwarten – was bleibt dann vom Glauben außer ein bisschen Seelenberuhigung?

Ich möchte niemandem zu nahe treten, aber ehrlich fragen: Ist Jesus wirklich am Kreuz gestorben, damit wir uns besser fühlen? Ist die Auferstehung bloß Tradition – oder glauben wir wirklich, dass sie unser Leben verändert?

In Lukas 5 geht es nicht um Gefühle, sondern um einen Gott, der handelt. Der heilt. Der herausfordert. Der Staunen auslöst. Die entscheidende Frage ist: Glaube ich, dass Jesus heute noch in mein Leben eingreifen kann – und will?

Und: Würde ich es ihm erlauben?

Vielleicht liegt das Problem nicht in Gottes Schweigen, sondern in unserer fehlenden Erwartung. Unsere Gebete fordern nichts mehr heraus. Unsere Gottesdienste ordnen, statt zu erschüttern. Unser Reden über Gott ist freundlich, aber oft kraftlos.

Wir haben uns an einen Glauben gewöhnt, der wirkt wie ein gutes Glas Rotwein: beruhigend, stilvoll – aber nicht wie Feuer. Nicht wie das, was Lahme tanzen lässt und Städte auf den Kopf stellt.

Der Glaube der Bibel ist kein spirituelles Wellnessprogramm. Er ist Vertrauen auf den lebendigen Christus, der Leben umkrempelt, nicht nur tröstet. Der uns nicht in Watte packt, sondern ruft: „Folge mir.“

Wenn wir wirklich glauben, dass Jesus lebt – was erwarten wir dann von ihm? Einen Platz in unserer Mitte oder den ersten Platz? Eine kleine Dosis Trost – oder eine große Revolution?

Was wir brauchen, ist nicht ein besserer Eventplan, sondern eine neue Offenheit für das Eingreifen Gottes. Ein neuer Hunger nach Staunen. Nach dem Unerwarteten. Nach dem lebendigen Christus.

Vielleicht beginnt das mit einem einfachen Gebet:
„Jesus, hier bin ich. Greif ein. Verändere, was du verändern willst. Und fang bei mir an.“

Denn Glaube, der nicht mehr mit dem Unfassbaren rechnet, ist vielleicht kein Glaube mehr – sondern nur noch Erinnerung an bessere Zeiten.

„Jesus wird sich durch Yoga nicht ersetzen lassen.“ Nein – und er will es auch gar nicht. Aber er wird sich dort offenbaren, wo Menschen ihn nicht nur hören, sondern ihn erwarten.

Sei gesegnet!

„Christus ist nicht nur ein Trost in schweren Zeiten, sondern eine Herausforderung in jeder Zeit“ (Dietrich Bonhoeffer).

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