Zeit nehmen

Die Karmeliter-Ordensfrau Thérèse von Lisieux hat vor fast 150 Jahren einmal gesagt: „Beten heißt nicht viel reden, sondern viel lieben.“ Beten heißt (viel) lieben. Beten heißt, dass ich mir Zeit nehme, um mit Gott zu sprechen. Insofern ist Gebet auch immer „Beziehungsarbeit“.

Reden mit Gott

Mit Gott zu reden, das bedeutete früher oft eine Art Einbahnstraße für mich: War ich wieder einmal gegen die Wand gelaufen, gescheitert, hatte Kummer oder brauchte dringend etwas, fing ich an zu beten. Je größer die Not, desto ehrlicher und intensiver mein Gebet: „Bitte, Gott, mach! Bitte, Gott, hilf! Bitte, Gott, greif ein!“

Beziehungsarbeit

Gebet als Beziehungsarbeit zu sehen ist mehr. Natürlich möchte Gott helfen, eingreifen, aufrichten, trösten, heilen – aber es geht ihm in erster Linie um die Beziehung zu uns. Nicht umsonst fängt das Gebet, das Jesus selbst gelehrt hat, mit den Worten „unser Vater“ an. Jesus benutzte dabei das aramäische Wort „abba“ (das bedeutet „Papa“ – in der griechischen Übersetzung wurde daraus: „πατερ“ – Vater).

Lieben verändert

Beten bedeutet: Gemeinschaft mit diesem Vater / Papa zu haben. Und ich werde erleben: Je mehr ich diese Gemeinschaft mit Gott habe, desto mehr werde ich mich verändern, ganz automatisch. Wir kennen das aus dem alltäglichen Leben: Menschen, mit denen wir viel zusammen sind, prägen und verändern uns. Wenn ich Zeit mit Gott verbringe, prägt mich das auch. Die Bibel sagt (1. Johannes 4,16): „Gott ist Liebe“ – Gott, den ich mit Papa ansprechen darf, ist Liebe in Person. Wenn ich viel Gemeinschaft mit ihm habe, dann wird diese Liebe mich anstecken und verändern.

Und diese mich verändernde Liebe wird mit Sicherheit auch mein Gebetsleben verändern. Auch das ist ähnlich, wie bei einer Freundschaft. Je intensiver eine Freundschaft ist, desto intimer und persönlicher werden Gespräche.

Blickrichtung

Es wird sich wahrscheinlich auch meine Blickrichtung beim Beten ändern. Natürlich werde ich Gott weiter um Dinge bitten. Aber, wenn meine Beziehung zu Gott intensiver wird, werde ich irgendwann beim Beten auch Gott selbst in meinen Fokus stellen. Ich werde z. B. anfangen, mich zu bedanken, wenn Gebete erhört wurden, ich werde vielleicht Gott auch mal fragen, was er möchte, dass ich tue (und ihm nicht immer nur sagen, was ich möchte, dass er tut).

Blick weiten

Und ein Drittes wird geschehen: Wenn mein Herz liebevoller wird und mein Blick sich beim Beten weitet, werden auch die Menschen um mich herum in den Fokus meines Gebetes rücken – auch ganz automatisch. Wenn ich ein liebendes, mitfühlendes Herz habe, dann lassen mich Sorgen und Nöte anderer nicht kalt – ganz von allein.

Für andere beten

Wenn ich anfange für andere zu beten, dann ist das ein wirklich großer Akt der Liebe, denn ich werde vielleicht kaum oder gar keine Rückmeldung von ihnen bekommen. Vielleicht lässt es mich mein Gegenüber nie wissen, wenn sich etwas verändert hat – oder vielleicht weiß mein Gegenüber noch nicht einmal, dass ich für ihn oder sie bete. Ich werde aber sehen, wie sich so manches in meinem Leben verändert.

Gebet verändert

Durch Gebet werde bekomme ich ein liebevolleres Herz, weil Gott selbst mich verändert. Mein Glaube wird tiefer und vertrauensvoller, weil ich erlebe, wie Gott auf Gebete reagiert. Und mein Leben wird aufregender, weil ich sehe, wie sich mein Umfeld durch Gebet verändert.

Liebesangebot

Und dann lebe ich auf einmal das Liebesgebot, das Jesus lehrte: „Ihr sollt Gott von ganzem Herzen lieben, (…) Ebenso wichtig ist das andere Gebot: Liebe deinen Mitmenschen wie dich selbst. Kein anderes Gebot ist wichtiger als diese beiden.“ (Markus 12,30+31)

Sei gesegnet!

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Jürgen Ferrary für GottinBerlin.de