In einer Tischplatte in weiß-rot ist das Holz gerissen

Arbeitsplatte

Meine Frau Alexandra hat eine neue Arbeitsplatte für ihren Schreibtisch bekommen. Die Farbe passte perfekt zum Fußboden, die Form schmiegte sich elegant in die Einrichtung des restlichen Zimmers an und auch die Größe war genauso, wie sie sein sollte. Nicht zu groß, denn dann hätte der Tisch den Raum dominiert, aber auch nicht zu klein, denn meine Frau braucht viel Platz auf ihrer Arbeitsfläche. Alles wäre wirklich richtig gut gewesen, wenn nicht mitten auf der Platte ein etwa finger-großes Stück Holz herausgeplatzt gewesen wäre.

Als der Schreibtisch zusammengebaut war und meine Frau ihn das erste Mal begutachtete, sah man ihr die Enttäuschung sichtlich an. Wir riefen also den Tischler an, der am nächsten Tag noch einmal vorbeikam. „Es war die beste Platte, die wir im Großhandel bekommen haben“, beichtete er, „die anderen sahen noch schlimmer aus oder waren aus einem Material, das nicht zum Zimmer passte!“

Meine Frau schaute wieder enttäuscht drein. „Aber wir bekommen das hin. Wir haben das schon eingeplant!“, sagte er. Alexandra sollte ihr Arbeitszimmer für eine Weile verlassen. Als sie etwa zwei Stunden später wiederkam, sah sie, wie der Tischler gerade dabei war, Öl in das Holz einzumassieren. 

Jetzt kam die Maserung noch viel besser zum Vorschein. Die Platte war zudem glatt geschliffen worden. Meine Frau suchte, konnte aber die Macke im Holz erst nicht finden. Was war geschehen? Hatte der Tischler sie doch noch ausgetauscht? Nein, er hatte die Macke mit Holz-Spachtel und ein wenig Farbe so geschickt kaschiert, dass man wirklich Mühe hat, die Stelle zu finden.

Geschickt kaschieren

Auch wir haben Macken. Wir sind verletzt worden, sind mit unserem Dickkopf gegen die Wand gelaufen, wurden enttäuscht und sind gescheitert. Das hat Spuren hinterlassen. Und allzu gerne versuchen wir, diese Macken, Kratzer und Beulen auch zu kaschieren. Solche Dinge soll niemand sehen. Wir wollen doch einen guten Eindruck bei anderen hinterlassen. 

Außerdem geht es doch niemanden an, wie meine Seele wirklich aussieht. Ich bin der strahlende, immer gut gelaunte Jürgen (und das ist oft sehr anstrengend, denn es gehört manchmal eher zu meiner Strategie des Lebens als zu meinem Selbst). Ich möchte ein bestimmtes Bild abgeben und so poliere ich mein Ich so gut auf, als wäre ich ein gebrauchtes Auto, das ich so gewinnbringend wie möglich verkaufen möchte. 

Da stören Kratzer und Macken eben. Also werden sie – so gut es geht – überdeckt. Das Problem ist, dass ein Fachmann die Ausbesserungsarbeiten sofort sieht – sowohl beim Tisch, beim Auto, als auch bei meinem Charakter. Was den Charakter angeht, so entwickeln wir selbst uns sehr schnell zum Fachmenschen, denn, wenn wir jemanden anderes kennenlernen, dann fallen kaschierte Fehler beim anderen relativ schnell auf. 

Wiederherstellen

Gott möchte Dellen und Kratzer in unserem Leben nicht kaschieren, er möchte uns wiederherstellen. Gottes Wunsch für uns ist es nicht, dass wir angestrengt durchs Leben gehen, weil wir versuchen, alle Verletzungen zu verstecken. Er möchte uns heilen. 

Heilung bedeutet mehr, als nur Spachtel in die Risse unserer Biografien zu schmieren, sodass man sie von außen nicht auf den ersten Blick sieht. Heilen heißt, dass die Macken und Risse, die Beulen und Kratzer ganz verschwinden. Gott ist ein Gott der Wiederherstellung. 

Hanna, die Mutter des weisen Samuel sang das einst in einem Lied: „Der Herr erfüllt mein Herz mit großer Freude, er richtet mich auf und gibt mir neue Kraft!“

Sicherlich ist Wiederherstellung ein Prozess – wenn das Loch im Holz zu kaschieren genauso Zeit braucht, wie die Kratzer im Gebrauchtwagen zu polieren, dann ist es einleuchtend, dass eine Wiederherstellung nicht mit einem Gebet geschieht. Aber Gott verspricht, unser Herz wirklich mit Freude zu erfüllen (ich muss nicht mehr schauspielern, sondern kann wirklich fröhlich durchs Leben gehen). 

Er richtet uns auf (ich muss meine Vergangenheit nicht als Teil meines Lebens akzeptieren und immer einen schweren Rucksack aus Erfahrungen und Verletzungen auf dem Rücken tragen). Und er gibt mir neue Kraft (sowohl dafür, ein Leben zu führen, das nach vorne gewandt ist, als auch dafür, weiterhin durch den Prozess der Erneuerung und Wiederherstellung zu gehen).

Kaschieren oder erneuern?

Ich werde wohl immer mal wieder zum einen und im nächsten Moment zum anderen schwenken. Dabei wäre so vieles einfacher, wenn ich Gott als wirklichen Fachmann heranlassen würde. 

Gebet: Himmlischer Vater, ich habe erkannt, dass ich manchmal bin wie ein Tisch mit einer Macke oder ein altes Auto voller Kratzer. Und ich empfinde es als anstrengend in meinem Leben, diese Dinge ständig kaschieren zu wollen. Bitte hilf mir, meine Schwachstellen offenzulegen und bitte heile du sie dann, eine nach der anderen. Ich bete um Wiederherstellung, dass ich hineinwachse in den Charakter, der Jesus immer ähnlicher wird. Bitte hilf mir, dass ich dabei nicht stehenbleibe dabei, sondern einen Schritt nach dem nächsten tue. Amen

Sei gesegnet!

Weitere Gedanken und einen Song zum Tag gibt es hier: – zum selbst Lesen oder Weiterleiten – https://juergens-gedanken.blogspot.com

Jürgen Ferrary für GottinBerlin.de