Hand im Dunkeln

Nach Strohhalmen suchen

In Zeiten von Angst und Not suche ich immer Strohhalme, an denen ich mich festhalten kann und muss erschreckt feststellen, dass mich manches Mal Berichte, die ich höre oder lese, mehr beruhigen als Worte aus der Bibel. Da tauchen immer wieder Geschichten von Menschen auf, die davon berichten, dass sie einmal auf die Knie gegangen sind und von einer Sekunde zur anderen war alles gut. Warum passiert so etwas denn so selten? Warum hört Gott meine Gebete eigentlich nicht?

Und ich fühle mich dann manchmal so, wie der Schreiber dieses Liedes: „Hat der Herr uns für alle Zeiten verstoßen? Wird er nie wieder freundlich zu uns sein? Ist seine Gnade für immer zu Ende? Gelten seine Zusagen nicht mehr? Hat Gott vergessen, uns gnädig zu sein? Warum verschließt er vor uns im Zorn sein Herz? Das ist es, was mich am meisten schmerzt: Gott, der Höchste, verhält sich jetzt anders als vorher – er setzt sich nicht mehr für uns ein!“ (Psalm 77, 10 HfA). 

Es gab doch schon Zeiten, wo Gott sofort eingegriffen hat, manchmal sogar noch, während ich betete. Und dann scheint er wieder zu schweigen. Hat Gott vergessen, gnädig zu sein? Hat Gott mich vergessen? Ist er zornig auf mich, dass ich nicht merke, wie er mir meine Angst nimmt und mein Herz mit seinem Frieden füllt?

Ist Angst eine Botschaft?

Ich versuche doch, mich unter seinen Flügeln zu bergen (Psalm 91, 4), ich laufe doch wie ein Kind zu meinem Vater. Und dennoch habe ich manchmal das Gefühl, er hört mein Gebet nicht oder will es nicht hören. Und dann drücken Angst und Not doppelt auf meine Seele. 

Manchmal kommen dann Geschwister auf mich zu, schauen mich liebevoll an, legen mir vielleicht noch die Hand auf die Schulter und geben mir „guten Rat“: „Hab keine Angst, Gott ist mit dir!“ Leichter gesagt, als getan. 

Ich habe keine Antwort darauf, warum Gott Angst nicht immer sofort von mir wegnimmt. Es wäre auch nicht ehrlich, wenn ich sagen würde, ich würde jedes Mal spüren, wie Gott mich durch die Täler der Angst hindurchtragen würde. Ich habe aber gemerkt, dass die Angst an sich auch eine Botschaft ist. Es ist eine Botschaft, die aus meiner Seele an mich selbst. Auch diese Botschaft verstehe ich nicht immer. 

Liebender Vater

Was ich aber verstehe, ist, dass Gott ein liebender Vater ist und bleibt. Und, dass Gott mich ebenso kennt, wie dich. Beides zusammen bedeutet für mich, dass es einen Sinn hat, einen Grund, wenn Gott nicht sofort eingreift. Als Vater versuche ich oft ein Stück Gott zu verstehen, indem ich sein Handeln mit meinem Handeln vergleiche, wohl wissend, dass er ein besserer Vater ist als ich. 

Und ich weiß, ich kann das Leben meiner Kinder nicht leben. Ich kann nicht alle Probleme für meine Kinder lösen, weil sie sonst in ihrer Entwicklung nicht lebensfähig werden. Meine Kinder müssen Schritte selbst gehen, selbst Rückschläge einstecken, selbst Siege einfahren. Auch durch Zeiten der Angst müssen sie durch, weil das zu ihrer Entwicklung dazu gehört. 

Ich stehe manchmal nur im Hintergrund und habe ein Auge auf sie. Aber so, wie sie allein auf einen Baum klettern müssen, um zu sehen, dass sie diesen Baum „bezwingen“ können, so müssen sie im Leben eigene Schritte lernen zu gehen. 

Vertrauen muss wachsen

Als wir in den vergangenen Wochen verschiedene „Lost Places“ besucht haben, gab es immer wieder ähnliche Dialoge. Meine Kinder stürmten ins Dunkel irgendeiner Ruine, eines Keller, eines alten Tanks – und nach ein paar Sekunden hörte ich: „Papa, bist du noch da?“ Ja, war ich. 

Dieses Vertrauen muss erst einmal wachsen, wenn es um Gott geht. Ich habe keine Erklärung, warum Gott manches Mal sofort eingreift und mich manchmal gefühlt ganz schön „im Regen stehen lässt“. Aber ich habe gelernt, dass Gott meine Angst auch zulässt, damit ich die Botschaft, die aus mir heraus an mich selbst geht, höre – und manches Mal auch verstehe. Er lässt mich eben nicht im Regen stehen, sondern, wenn ich rufe: „Papa, bist du noch da?“, ist er es. 

Natürlich gibt es auch krankhafte Angstzustände, aber die meine ich hier nicht. Mir hilft es in Momenten der Angst, zurückzuschauen, was Gott in meinem Leben alles schon getan hat. Das beruhigt mich, denn ich kann dann sehen, wie treu Gott ist. David schreibt: „Ich erinnere mich an deine großen Taten, Herr, und denke an die Wunder, die du einst vollbracht hast. Ich führe mir vor Augen, was du getan hast, immer wieder mache ich es mir bewusst“ (Psalm 77, 12-13 HfA).

Ich werde mich weiter unter „Gottes Flügeln bergen“, werde weiterhin als sein Kind in seine Arme rennen. Auch, wenn meine Angst nicht immer gleich verschwindet. Und ich werde mich an die Zeiten festhalten, in denen ich Gottes Eingreifen erleben durfte, denn die lassen ein tiefes Urvertrauen in ihn tief in meinem Herzen wachsen. 

Und das wünsche ich dir auch. 

Sei gesegnet!

Weitere Gedanken und einen Song zum Tag gibt es hier: – zum selbst Lesen oder Weiterleiten – https://juergens-gedanken.blogspot.com

Jürgen Ferrary für GottinBerlin.de