eine Frau überreicht einer anderen einen Einkaufsbeutel

Nächstenliebe

Wenn ich mit Menschen spreche, die mit dem Glauben wenig zu tun habe, dann geschehen oft zwei Dinge: Die einen sagen, sie wären ja auch gute Menschen, denn sie würden „das mit der Nächstenliebe“ mehr leben, als mancher Christ, andere sagen, dass sie es sehr stören würde, dass Christen so oft „Wasser predigen und Wein trinken“, besonders, wenn es um die Nächstenliebe gehen würde. Für mich stellt sich also die Frage: Sind Christen eigentlich bessere Menschen?Voller Demut würden wir das natürlich lautstark abstreiten. Es gibt ja das geflügelte Wort „Christen sind nicht besser, aber besser dran“, das ich so gar nicht mag. Und es gibt genügend Situationen, die zeigen, dass man bei einem Christen nicht zwangsläufig auf einen besseren Menschen treffen muss. Warum eigentlich, frage ich mich?

Ein polternder Mann

Ein kleines Beispiel: Als wir gestern in der Schlange der Passkontrolle standen, polterte ein Mann mit einem dicken goldenen Kreuz um den Hals an meinen Kindern vorbei, die mit ihren schweren Rucksäcken und ihren Masken vor dem Mund auf ihre Abfertigung warteten. Er rempelte sie – ohne ein Wort vorher oder hinterher – einfach so massiv um, sodass sie fast hinfielen.

Als ich ihn darauf ansprach, kam nur auf Englisch: „There is my family!“ (Dort ist meine Familie.). Vorher kein: „Sorry, darf ich mal bitte durch?“ – hinterher kein: „Sorry, ich habe deine Kinder übersehen.“ Nichts. Nun mag man sagen, dass ein Kreuz am Hals nicht zwangsläufig bedeutet, dass jemand Christ ist. Das ist wahr.

Was macht einen Christen aus?

Aber was macht einen Christen denn aus? Wenn ich es auf die Nächstenliebe reduziere, dann möchte ich gerne Paulus zitieren: „Denn das ganze Gesetz ist in dem einen Wort erfüllt (3. Mose 19, 18): »Liebe deinen Nächsten wie dich selbst!«“ (Galater 5, 14 LUT). Nächstenliebe war das am Flughafen auf jeden Fall nicht, sondern, egal, wie man es dreht, purer Egoismus.

Wer ist also der, der den Nächsten liebt? Wenn ich mit Paulus gehe (Jesus hat den Vers aus dem 3. Buch Mose ja auch zitiert), dann erfüllt der das Gesetz, der den Nächsten eben liebt, wie sich selbst. Oder anders formuliert: Ich kann mich fragen, ob ich mich selbst so behandeln würde, wie ich oft andere behandle.

Und dann bekomme ich schnell ein flaues Gefühl im Magen, denn das muss ich verneinen. Ich bin diesem Gebot nach nicht unbedingt ein guter Christ, wenn ich regelmäßig für „Brot für die Welt“ spende oder an der „Tafel“ aushelfe.

Herzens-Einstellung

Es geht um eine Herzens-Einstellung. Es geht darum, dass Liebe meine Motivation ist, wie ich meinem Nächsten begegne. Es geht darum, ob Gott mein hartes Herz gegen ein weiches ausgetauscht hat (siehe Hesekiel 36, 26). Ich muss nicht immer überschwängliche Gefühle für den Nächsten haben, es wäre gelogen, wenn jemand behauptet, er würde immer so fühlen. Außerdem liebe ich mich auch nicht immer überschwänglich, besonders, wenn ich vor dem ersten Kaffee in den Spiegel schaue.

Deswegen ist meine Frage ganz ernst gemeint: Sind wir Christen eigentlich bessere Menschen? Und wenn nicht, warum eigentlich nicht? Warum fällt es uns so schwer, unser Herz von Gott verändern zu lassen? Oder sind wir auch noch ein Stück, wie der Mann mit dem goldenen Kreuz, dessen Ego immer noch ziemlich groß ist.

Bitte rechtfertige dich jetzt nicht, was du alles Gutes im Leben tust. Wenn du Gutes tust, ist das super. Wie aber dein Herz dazu tickt, das weißt du nur alleine. Wenn du Härten entdeckst, dann halte Gott dein Herz hin und bitte ihn, es weich zu machen, damit du deinen Nächsten lieben kannst, damit du dich selbst lieben kannst.

Sei gesegnet!

Weitere Gedanken und einen Song zum Tag gibt es hier: – zum selbst Lesen oder Weiterleiten – https://juergens-gedanken.blogspot.com

Jürgen Ferrary für GottinBerlin.de