Mithalten

Ich bewundere oft, wie smart meine 6-jährige Tochter Sarah ist. Wenn sie mit Freunden unseres drei Jahre älteren Sohns Joshua zusammen ist, dann merkt man hauptsächlich an der Körpergröße, dass sie so viel jünger ist. Sie versucht, immer und überall mitzuhalten. Wenn die Großen sich unterhalten, dann redet sie mit wie eine Große. Sie versucht, die Witze der Großen zu erzählen, die Spiele der Großen zu spielen – und hat die Jungs dann oft ganz gut unter ihrer Kontrolle. Sie hat keine Scham

Beschluss

Das geht so weit, dass wir in letzter Zeit immer mal beobachten, dass Sarah immer mal wieder an den Punkt kommt, wo sie tougher ist als ihr großer Bruder. Am vergangenen Wochenende hat sie zum Beispiel beschlossen, allein im Häuschen unserer Freunde im Harz (natürlich mit den Freunden) zu schlafen und nicht im VW-Bus. Joshua wollte nicht. Sie hat es zwar nicht durchgehalten und ist in der Nacht dann doch zu uns gebracht worden, aber sie hat es versucht.

Hilfe holen

Sie macht sich wenig Gedanken darüber, ob sie wirklich „mithalten“ kann, ob sie beim Sport vielleicht doch noch ein Stück langsamer ist oder den Ball noch nicht so unter Kontrolle hat. Sie denkt nicht darüber nach, dass die anderen schon lesen können, sie es aber gerade erst lernt – sondern holt sich Hilfe, wenn sie mal nicht weiter kommt. 
 

Unsicher

Ich bin da anders gestrickt. Ich habe zwar auch ein großes Mundwerk, aber es gibt viele Situationen, in denen ich unsicher bin, weil ich nichts falsch machen möchte. Dann höre ich lieber zu oder versuche, das Thema zu wechseln. Oder ich mache Aktivitäten eher nicht mit, weil ich Sorge habe, mich zu blamieren.

Gott gegenüber ging es mir auch lange so: Was, wenn ich im Gebet nicht die richtigen Worte finde? Was, wenn Gott mir einen Auftrag geben möchte, ich den aber nicht zu seiner vollsten Zufriedenheit erfülle? Oder was, wenn ich mich gar irre und gar nicht höre, was Gott sagt?

Liebe

Es hat lange gebraucht, bis ich verstanden habe, dass Gott ganz anders ist. Wenn Sarah mir einen Witz erzählt, dann freue ich mich darüber ganz gleich, ob sie ihn perfekt erzählt hat oder nicht. Wenn ich sie bitte etwas zu tun, sie es dann aber nicht richtig macht oder gar nicht, dann ändert das nichts an meiner Liebe zu ihr. Und wenn sie etwas nicht versteht oder gerade dabei ist, in die Irre zu laufen, dann gehe ich ihr hinterher und helfe ihr.

Warum sollte Gott, der mich bedingungslos und leidenschaftlich liebt, anders reagieren? David schreibt in  Psalm 33, 18: „Gott beschützt alle, die ihm mit Ehrfurcht begegnen und die auf seine Gnade vertrauen“. Es geht Gott nicht darum, ob ich perfekt bin oder nicht (das bin ich eh nicht) – es geht ihm um meine Herzens-Einstellung. 

Herzenseinstellung

Auch, um den Begriff „Ehrfurcht“ zu verstehen, ist meine Tochter eine gute Lehrerin für mich. Sie hat eine gewisse  „Ehrfurcht“ vor mir, obwohl sie das nie so nennen würde. Sie achtet mich als ihren Vater, sie vertraut mir, sie liebt mich – und meistens hört sie auch, wenn ich ihr etwas sage. Sie wünscht sich, dass wir Zeit zusammen verbringen, erzählt mir, was sie beschäftigt, lässt sich trösten, wenn sie weint, … Das ist eine Herzens-Einstellung, die sich Gott auch wünscht. 

Kindliches Gemüt

Und dann ist es eben nicht wichtig, ob ich die passenden Worte finde oder alles richtig mache. Gut, dass es Menschen, wie meine Tochter gibt, die mich immer daran erinnern. Vielleicht ist es gut, heute (oder auch zukünftig) darum zu beten, dass Gott die Angst davor, etwas dumm zu sagen, falsch zu machen oder in die Irre zu laufen, wegnimmt und uns wieder ein Stück ein kindliches Gemüt schenkt.

Sei gesegnet!

Weitere Gedanken und einen Song zum Tag gibt es hier: – zum selbst Lesen oder Weiterleiten – https://juergens-gedanken.blogspot.com

Jürgen Ferrary für GottinBerlin.de

„Oh shame is a prison“ heißt es in diesem Lied – Scham ist ein Gefängnis. Danke Helge und Kay für diesen großartigen Vorschlag (das Lied ist übrigens von Claude Ely (1922-1978) und wurde schon von Johnny Cash gecovert):