21. Dezember 1944

Die Gestapo sperrte in den letzten Kriegsmonaten einen verheirateten  jungen Mann ein, der sich abfallend über den Führer geäussert haben soll. Er bekam am 21. Dezember 1944 die Nummer 8117. Besuche waren nicht erlaubt, doch zu Weihnachten durfte ihm seine Frau ein Geschenkpäckchen schicken. Dazu eine Weihnachtskarte. Der junge Mann musste mit der Todesstrafe rechnen. Doch ehe es soweit kam, war der Krieg zu Ende, der Mann kam frei. Er erzählt seinen Freunden über ein Erlebniss mit seinem Aufseher Karl.

Duftender Kuchen

Karl war einer der gemeineren Bewacher. Er hatte sadistische Tendenzen. An Weihnachten schickte die Ehefrau von Häftling 8117 ein Päckchen mit einem liebevoll gebackenen, duftenden Kuchen für ihren Mann ins Gefängnis. Wärter Karl ließ den Mann, Häftling 8117 zu sich kommen und lobte den fantastischen Kuchen, den seine Frau gebacken hatte. Der ganze Raum war mit köstlichem Kuchenduft erfüllt. Dann setzte sich der Wärter Karl an den Tisch und aß vor den Augen des jungen Mannes den ganzen Kuchen allein genüsslich auf. Danach brachte man den Jungen wieder hungrig in seine Zelle.

Abrechnung?

Dieser war rasend vor Wut und schwor, falls er aus diesem Gefängnis unerwarteter Weise entlassen werden sollte, würde er es Karl heimzahlen.

Der Krieg war zu Ende und beide, Karl, der Wärter und Häftling 8117 haben überlebt und sind zu ihren Familien zurückgekehrt. Der junge Mann fuhr zu seiner Frau nach Berlin. Zwischen den Monaten Juni bis November 1945 versuchte der ehemalige Häftling den jetzigen Wohnort seines ehemaligen Aufsehers Karl ausfindig zu machen. Und er wurde fündig. Dieser wohnte in einer kleinen Gasse in der Altstadt Bremen.

Kam nun die Stunde der Rache? Der junge Mann rang mit sich. Es war ja kurz vor Weihnachten, da sollten Rachegedanken eigentlich keinen Platz haben.

 

Kam nun die Stunde der Rache?

Der junge Mann rang mit sich. Es war ja kurz vor Weihnachten, da sollten Rachegedanken eigentlich keinen Platz haben.

Da kamen er und seine Frau auf eine Idee:
Am 24. 12. 1945 setzten sich beide in die Bahn und fuhren nach Bremen. Nach kurzer Zeit standen sie vor der Wohnung von Karl. Das Herz schlug bis zum Hals. Sie klingelten. Kurz darauf wurde die Tür geöffnet. Karl stand da. „Sie wünschen?“ fragte er. „Erkennen Sie mich nicht mehr? Ich war Ihr Häftling 8117. Meine Frau hat Ihnen nochmal den Kuchen gebacken, der Ihnen letzte Weihnachten so gut geschmeckt hat. Hier als Weihnachtsgeschenk für Sie und Ihre Familie“.

Ehrliche Reue

Karl wurde kreidebleich, schluckte verlegen und bat die beiden in die Wohnung. In der Wohnung gab es dann kein Halten mehr. Karl weinte bitterlich. Seine Frau und die beiden Kinder schauten sich ängstlich an und verstanden nicht, dass Papa plötzlich so weinen musste. Der Weihnachtsabend wurde lang. Karl gab erst dem Hitlerregime die Schuld. Der Nationalsozialismus hätte seinen Charakter verbogen. Doch dann erkannte er seine eigene Schuld und bat um Vergebung, erzählte alle seine Schandtaten als Gefängnisaufseher seiner Frau und den Kindern. Die Reue war ehrlich, das spürten alle.

Vergebung

Der ehemalige Häftling konnte vergeben. Er konnte an diesem Weihnachtsabend von Jesus erzählen, von seinem Leben und dass auch er seinen Gegnern vergeben hat, indem er sagte: „Herr vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.“ Anschließend wurde schön gegessen, es wurden Weihnachtslieder gesungen. Für vier Erwachsene und zwei Kinder blieb dieses Weihnachtsfest unvergesslich.
 

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