Glaube an Gott

Die meisten meiner Freunde sind überzeugte Atheisten. Ich selber bin Theologie-Student der Humboldt-Universität zu Berlin und beschäftige mich somit jeden Tag mit dem Glauben an Gott. Oft kommt es deshalb zu Diskussionen rund um dieses Thema.

Negative Themen

Dabei ist mir aufgefallen, dass „Die Religionen“, „Die Kirche“ oder „Das Christentum“ beschuldigt werden, für so ziemlich alles was schlecht ist. Die Rede ist dann, angefangen von Kreuzzügen, über Hexenverbrennung bis hin zu Vergewaltigungen durch Kirchenvertreter – durchweg negative Themen.

Interesse an meinen Mitmenschen

All das schreckt mich nicht ab zu glauben, verurteile es zwar auf Tiefste, weiß aber um die liebende Botschaft meines Glaubens und den Halt, der mir dieser Glaube an Gott schenkt – täglich.

Dennoch interessiert mich die Einstellung meiner Mitmenschen. Was hat sie dazu bewegt, so schnell zu urteilen und vor allem was bewegt sie, nur die negativen Seiten zu beleuchten?

Josẻ Casanova – „Europas Angst vor der Religion“

Eine Basis für eine Argumentation dafür liefert Josẻ Casanova. Ich werde im Folgenden seinen Argumentationsgang des ersten Teiles seines Buches Europas Angst vor der Religion zusammenfassen:
Die Erzählung (Narrative) über Religion und Demokratie in der europäischen Geschichte geht davon aus, dass die Verbindung von Religion und Staat vom Mittelalter bis in die Neuzeit etliche Religionskriege hervorbrachte und Europa somit in Schutt und Asche legte.

Säkularisierung und Aufklärung

Die Antwort Europas war die Säkularisierung und die Aufklärung. Von nun an wurde die Religiosität in die private Sphäre verbannt, liberale und säkulare Ansichten in den Vordergrund der öffentlichen Sphäre gestellt. Diese Trennung von Religion und Politik ist die große Errungenschaft der westlichen Modernität und nur mit ihr ist der Grundstein für ein gesundes Wachstum einer Demokratie gelegt – so das Narrativ.

Religiöse Konflikte

Dieses historische rekonstruierte Basisnarrativ dient als ein Gründungsmythos europäischer Identität.
Aber: Fakt ist, dass nirgendwo in Europa religiöse Konflikte zur Säkularisierung, sondern immer nur zur Konfessionalisierung und Territorialisierung führten. Säkularisierung und Demokratisierung bedingen nicht einander. Die Absicht Casanovas ist es in diesem Anliegen aufzuzeigen, wie tief dieses historisch höchst ungenaue Narrativ in dem kollektiven Gedächtnis der Europäer verwurzelt ist.

Verstehen von Konflikten

Religion ist intolerant und erzeugt Konflikte! So ist die Meinung vieler, wenn nicht der meisten Europäer. Eine angebrachte Frage wäre hier zu stellen, ob denn die Gräueltaten zwischen 1914 und 1989 vergessen wurden, die als Grundlage politischer Ideologien und keinen religiösen Fanatismus aufweisen. Die säkularen ideologischen Konflikte werden aus der Erinnerung verdrängt, dafür wird den Erinnerungen an die lang zurückliegenden Religionskriege des frühmodernen Europas mehr Platz eingeräumt, um die neu aufkeimenden religiösen Konflikte der Welt zu verstehen.

Trennung von Religion

Das Narrativ wird als Rechtfertigung für die säkulare Trennung von Religion und Politik als Bedingung für demokratische Politik, für globalen Frieden und für individuelle Religionsfreiheit, benutzt. Aber: Wie säkular sind die europäischen Staaten wirklich?

Daniel Gerlach für GottinBerlin