Oberschlau

Es sind Tage und Erlebnisse, wie gestern, die mich immer wieder daran erinnern, was Jesus einst seinen meist „oberschlauen“ Jüngern gesagt hat: „Wenn ihr euch nicht ändert und so werdet wie die Kinder, kommt ihr ganz sicher nicht in Gottes himmlisches Reich“ (Matthäus 18,3). Denn ich fühle mich manches mal genau so „oberschlau“.

Gute Stimmung

Gestern waren wir im Grunewald mit den Kindern spazieren. Kaum hatten wir das Auto geparkt, verzog sich die Sonne, und es fing an zu tröpfeln. Egal – wir liefen los. Kaum hatten wir die kleine Zufahrtsstraße verlassen, waren wir fast allein im Wald. Joshua und Sarah waren ganz in ihrem Element. Der erste Wanderstock war gefunden, ein Stapel geschlagenes Holz diente als Klettergerät, die Stimmung war gut.

Kleine Pause

Irgendwann machten wir eine kleine Pause an einer überdachten Bank. Sofort wurden die Taschenmesser gezückt, mit denen die Wanderstöcke bearbeitet wurden. Das Wetter war um einiges schlechter geworden – so schaute ich erst besorgt zum Himmel, dann zu meiner Frau. Weiter ging es. Wir hatten am Ende der Tour ein Fahrrad abgestellt, damit einer dann zum Auto zurück fahren konnte. Bis dahin wollten wir es auf jeden Fall schaffen.

Abenteuer im Wald

Der Wald wurde immer dichter, und wir entdeckten, dass grün nicht gleich grün ist. Kaum hatten wir uns umgedreht, waren die Kinder auch schon wieder verschwunden. Überall gab es etwas zu entdecken. Ein hohler Baumstumpf, der aussah, wie eine Toilettenschüssel, ein anderer, der zum Podest für eine Statur wurde, ein wunderschöner Edelstein, …

Kneip-Station

Irgendwann kamen wir zu einer „Kneip-Station“ mit noch einer überdachten Bank. Es fing nun doller an zu regnen. Meine Gedanken waren: „Ich werde dann mal vorlaufen, um zum Fahrrad zu kommen und das Auto zu holen!“ Die Gedanken der Kinder: „Ist das herrlich hier!“ Sie zogen sich die Regenjacken aus und tanzten im Regen. Meine Gedanken waren: „Na, hoffentlich erkälten die sich nicht!“ Die Gedanken der Kinder: „Mit der Pumpe und dem Wasserlauf kann man super spielen.“ Sarah zog sich die Schuhe aus und stieg ins Kneip-Becken („Ist gar nicht so kalt…“). Joshua hielt seinen Kopf unter die Pumpe und machte sich die Haare zusätzlich nass.

Meine Gedanken: „Zu Hause dann schnell in die warme Badewanne, dann bereite ich so lange das Abendessen vor…“ Die Gedanken der Kinder: „Das ist so schön hier – wir wollen hier nie wieder weg!“

Wer von uns war wohl in diesem Moment glücklicher? Ich, der ich mir Sorgen um alles machte, versuchte zu planen, versuchte, der „Weise“ zu sein – oder die Kinder, die den Moment genossen und einfach nur glücklich waren?

Glück

Ich habe drei Dinge gestern gelernt:

1. Wenn ich als nicht perfekter Mensch mir solche Sorgen um meine Lieben mache und schaue, was ich tun kann, damit sie glücklich werden, wie viel mehr macht sich Gott dann Gedanken darüber, was ich brauche, wie ich glücklich werde? Vielleicht wäre es gut, ihm „einfach mal“ mehr zu vertrauen.

2. Wie gut wäre es doch, wieder zu lernen, „einfach mal“ den Augenblick zu genießen und alles andere los zu lassen. Die Kinder waren gestern so glücklich, wie ich es mich absolut selten fühle.

3. Glücklich zu sein hat nichts mit den Dingen zu tun, um die ich mich alltäglich sorge. Um glücklich zu sein, braucht es nicht viel: Vertrauen, den Moment und offene Augen.

Endpunkt der Wanderung

Ich bin dann übrigens irgendwann vorgelaufen, habe das Fahrrad geholt und bin damit zum Auto gefahren. Und, als ich dann am Endpunkt der Wanderung ankam – und als ich mich wieder einmal meinen sorgenvollen Gedanken hingab („Hoffentlich haben die den letzten Abzweig nicht verpasst. Hoffentlich kann Sarah noch und ist nicht völlig verfroren“), kamen meine Frau und die Kinder fröhlich und ausgelassen um die Ecke.

Man, wieder nichts gelernt. Oder doch? Abends schauten wir dann zusammen die ganz alte Version von Pippi Langstrumpf. Es tut so gut, einfach mal wieder Kind zu sein …

Sei gesegnet!

www.juergens-gedanken.blogspot.com

Jürgen Ferrary für GottinBerlin.de