Nachts auf dem Weg

Es ist Nacht. Erst jetzt macht sich Nikodemus auf den Weg. Hat er Angst, jemand könne ihn erkennen und spöttisch weitererzählen: „Ich habe Nikodemus gesehen – wie er zu Jesus ging. Der ist doch Pharisäer udn Mitglied des Hohen Rats, ein Lehrer in Israel. Was macht denn so ein gebildeter Mann bei diesem Wanderprediger aus Nazareth?“

Wahrheit finden

Nikodemus findet keine Ruhe. Er will die Wahrheit wissen. Wer ist dieser Jesus? Er hat kein Studium, keine theologische Ausbildung und redet doch mit einer solchen Weisheit und Vollmacht von Gott, dass ihm das Volk nur so hinterherläuft! Und er tut Wunder – wie keiner vor ihm.  Ein Blinder kann plötzlich sehen. Lahme werfen ihre Krücken weg und können wieder laufen. Leprakranke werden gesund… Und dann sagt man von ihm, er sei der verheißene „Messias“, der Retter, den die Propheten schon vor Hunderten von Jahren angekündigt haben. Wer ist Jesus? Ein Volksverführer? Oder wirklich der Sohn Gottes? Nur das eine oder andere kann wahr sein.

Nikodemus hat Mut. Er sicht das offene Gespräch. Er betrachtet sich nicht eitel im Spiegel seines Verstandes. Er will selbst herausfinden, wer dieser ungewöhnliche Mann ist.

Diplomatisch beginnt er: „Meister, wir wissen, dass du ein Lehrer bist, von Gott gekommen. Denn die Zeichen, die du tust, kannst du nur tun, wenn Gott mit dir ist.“ Nikodemus sagt „wir“. Es soll nach Einverständnis und Bewunderung aus den eigenen Reihen klingen – nicht nur ich allein, auch die anderen …

Jesus geht gar nicht darauf ein. Statt dessen konfroniert er den klugen Mann mit einer ungeheuren Aussage: „Wenn jemand nicht neugeboren ist, kann er das Reich Gottes nicht sehen.“

Nikodemus ist ratlos: „Was heißt denn ’neu geboren‘? Geburt ist Geburt. Es gibt keinen Weg zurück in den Mutterleib.“ Jesus erklärt: „Neugeboren aus Wasser und Geist.“ Nikodemus staunt: „Was für eine Geburt soll das sein?“ Jesus fährt fort:“Was aus dem Fleisch georen ist, ist Fleisch. Was aus dem Geist geboren ist, ist Geist.“

„Fleisch“, also menschlich begrenzt, dem Tod verfallen. „Geboren aus Geist“ – an Gottes Reich teilhaben. Vom Tod nicht mehr betroffen sein. Wie ist das möglich?

 

Begriffsstutzig

Nikodemus begreift immer noch nicht. Jesus erklärt weiter: Wen as Wort Gottes, auch Wasser genannt, berührt, wen es bis ins Innerste trifft, entdeckt sich vor Gott als Schuldner. Entdeckt seine eigene Verlorenheit und den Sohn Gottes als Retter, der für seine persönliche Schuld einsteht: Er kann nicht mehr von Gott belangt werden. Er ist frei!

Geburt, weiß Nikodemus, heißt als Kind in die Welt zu kommen. „Geboren aus dem Geist“ bedeutet dann: durch den Geist Gottes neu geboren, wiedergeboren, ein Kind Gottes zu werden, von ihm „ernährt“, geleitet, erzogen, getragen.

Was für ein Wechsel!

Verstanden

Eine Handvoll Jünger bleibt nach der Kreuzigung und Auferstehung Jesu zurück. Diese wenigen Menschen tragen seine Wort durch die ganze Welt. Auch Nikodemus wird schließlich Christ geworden sein. Er verteidigt Jesus später, als man ihn anklagt und hilft bei der Bestattung seines Leichnams.

Begegnung

Seit 2000 Jahren begegnen Menschen dem Gottessohn – kluge, bedeutende und schlichte, einfache. Die Botschaft vom Kreuz ging ihnen mitten durchs Herz und veränderte sie von Grund auf. Erschüttert bekannten sie: „Unser Herr und unser Gott“. Für ihn nahmen sie Anfechtungen auf sich, Gefängnis, Folter, Verfolgung, Tod. Sie hatten das GEheimnis der neuen Geburt, der Wiedergeburt, erlebt: „Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur. Das Alte ist vergangen. Ein Neues ist geworden“.

Stern und Kreuz

Einer sagte es so: „Wie eng Jesus mit uns – ganz gleich, ob wir Christen oder Atheisten sind – verbunden ist, zeigt eine Kleinigkeit: In jedem Nachlagewerk begegnen wir den beiden Zeichen, die das irdische Leben begrenzen: Der Stern von Bethlehem(*) steht für „geboren“, das Kreuz von Golgatha (+) für „gestorben“ – zwei unscheinbare Symbole, die daran erinnern, dass die Spanne unseres lebens mit ihm beginnt und mit ihm endet.“

Dr. Irmhild Bärend für GottinBerlin