Ein Rollstuhl steht in einem Zimmer mit kahlen Wänden

Auslegung der Bibel

Als ich irgendwann in einem Gottesdienst sitze, staune ich nicht schlecht. Der Pastor legt einen Text aus der Bibel aus, in dem beschrieben wird, wie Jesus Menschen geheilt hat. Tenor: Jesus hat die Menschen damals gar nicht körperlich geheilt, sondern ihnen nur „die Augen geöffnet“, für das, was wirklich wichtig im Leben sei. Deswegen wurden aus „Lahmen“ dann Menschen, die ihr Leben wieder selbst in die Hand genommen haben. Stimmt das so?

Die Wundertaten von Jesus waren schon immer das zentrale Thema, wenn es um die Frage ging, wer Jesus ist. Als Johannes der Täufer seine Nachfolger zu Jesus schickt, um ihn zu fragen, ob er wirklich der versprochene Retter ist, antwortet der: »Geht zu Johannes zurück und erzählt ihm, was ihr hört und seht: Blinde sehen, Gelähmte gehen, Aussätzige werden geheilt, Taube hören, Tote werden wieder lebendig, und den Armen wird die rettende Botschaft verkündet« (Matthäus 11, 4-5 HfA). Mit diesen Worten bestätig Jesus seine göttliche Autorität. 

Immer wieder tauchen besonders Heilungen in den Berichten über Jesus auf, selbst kurz vor dem ersten Ostern. Nachdem Jesus mit einem Esel in Jerusalem eingeritten war und gefeiert wurde, geht er in den Tempel und räumt dort kräftig auf. Er wirft alles aus dem Tempel, das nichts in einem Gotteshaus zu suchen hat: die Händler, die Geldwechsler, die Betrüger und Scheingläubigen. 

Und dann heißt es fast beiläufig: „Noch während Jesus im Tempel war, kamen Blinde und Gelähmte zu ihm, und er heilte sie“ (Matthäus 21, 14 HfA). Gerade eben noch empört sich Jesus und schmeißt Tische um, da kümmert er sich schon wieder um die, die Not haben. Er heilt die Blinden und Gelähmten. 

 

Wie oft sind wir blind für das Unversehrte

Ich finde den Gedanken gar nicht so unattraktiv, dass es Jesus in erster Linie nicht um körperliche Unversehrtheit ging. Wie oft sind wir blind für das Wesentliche im Leben? Wie oft sehen wir nicht, was wirklich zählt, sondern sehen alles Mögliche, das uns aber weder glücklich macht, noch uns ein erfülltes Leben schenkt und sind blind für Gottes Hand, die uns schon lange entgegengestreckt wird?

Und wie oft sind wir im Leben von Angst und Sorge blockiert und kaum in der Lage, auch nur einen Schritt vor den anderen zu setzen? Wenn Jesus dann eingreift, dann geht uns quasi ein Licht auf, dann können wir erkennen, was wir vorher nicht erkannt haben, dann werden wir angetrieben, weil die Last von der Schulter abfällt. 

Wie sehr wünsche ich mir, dass wir das viel öfters im Leben erleben. Dass wir sehend werden und dass wir wieder vorankommen, eben weil unsere Schritte wieder leichter werden. Wir sollten diesen Gedanken im Hinterkopf behalten, und wir sollten wieder lernen, uns mehr danach auszustrecken.

 

Wirklich krank

Aber in unsrem Text steht etwas anderes. Hier heißt es, dass Menschen, die wirklich krank waren, zu Jesus kamen: Blinde und Gelähmte. Und analog zu dem, was er den Nachfolgern von Johannes dem Täufer sagt, heilt Jesus sie. 

Ganz klar: Körperliche Unversehrtheit ist Jesus weniger wichtig als eine geistliche Unversehrtheit. Mit Gott versöhnt leben zu können, auf eine Ewigkeit hoffen zu dürfen, in der es weder Krankheit noch Tod gibt, ist elementarer, als ein paar Jahre Gesundheit hier auf Erden und Gott nicht zu kennen. Aber letzteres ist ihm nicht unwichtig. Wenn Jesus eingreift, dann berühren sich Himmel und Erde, dann wird ein Stück von Gottes Reich heute schon sichtbar. Dann werden Blinde sehend, Lahme gehend, Kranke geheilt.

Und danach sollten wir uns ebenso – und vielleicht noch intensiver – ausstrecken. Wann hast du das letzte Mal um Heilung für jemanden gebetet? Wann hast du das letzte Mal erlebt, dass es heute noch genauso Wunder Gottes gibt, wie damals? Wenn das – wie bei mir – schon eine Weile her ist, dann lass uns den Text als Ansporn nehmen und anfangen für uns und andere zu beten!

Dann erfüllen wir ein Stück, was der Pastor gepredigt hat. Wenn wir ein Stück „lahm“ sind im Glauben, dann lässt Jesus uns wieder gehen. Und wenn wir ein Stück „blind“ sind, dann lässt Jesus uns wieder sehen.

Sei gesegnet!

Weitere Gedanken und einen Song zum Tag gibt es hier: – zum selbst Lesen oder Weiterleiten – https://juergens-gedanken.blogspot.com

Jürgen Ferrary für GottinBerlin.de