ICF Tempelhof und die konstante Selbstoptimierung

Vor einem halben Jahr hatten wir ICF Berlin in der aktuellen Location in Tempelhof besucht. Seitdem hat sich einiges getan. Damals glänzten die Räume noch im Beton-Charme. In gleicher Weise die Willkommenskultur. Deshalb war mir ein erneuter Besuch wichtig.

Wieder einmal zog ein Sturm durch Berlin. Der Wetterdienst hatte eine amtliche Warnung herausgegeben. Man solle lieber zu Hause bleiben, wusste die Berliner Abendschau zu berichten. Dennoch machte ich mich heute auf den Weg. Zuvor hatte ich mir noch das Galileo-Video zum Besuch bei einer Freichristlichen Gemeinde angeschaut, in dem auch ICF eine große Rolle spielt.

Im Vorraum, der nun weiß gestrichen ist, standen jede Menge Leute und tauschten sich angeregt aus. Ich kaufte einen Kaffee. Dieser wird bei ICF inzwischen nicht mehr in Plastikbechern sondern echten Tassen gereicht. Sehr freundliche und schnelle Bedienung. Da die Zeit etwas knapp war – wie ich dachte – betrat ich den abgedunkelten Saal. Der ICF-Mitarbeiter an der Tür war auch sehr freundlich.

Damit hatte sich der lange geplante Evaluationsbesuch gelohnt! Alle Punkte, die uns im April so massiv gestört hatten, waren bemerkenswert gut nachjustiert worden. Hut ab!

Schön, dass Du da bist!

Kurz vor elf traf ich in der Ringbahnstraße in Tempelhof ein. Die ganze Straße war zugeparkt. Wagemutig fuhr ich auf den Hof und stellte das Auto etwas unkonventionell auf dem letzten möglichen Platz ab. Den Weg zum Treppenhaus kannte ich noch. Stimmen und Lachen hallten mir entgegen, als ich in die zweite Etage aufstieg. Mit einem großen Schild freute sich ICF darüber, „dass Du da bist“. Eine Frau mit ICF-Badge trat durch die Tür und begrüßte mich sehr freundlich.

Rechts, links und Nebel

Das Mittelfeld vor der Bühne war schon voll besetzt um die Zeit. So steuerte ich den rechten Block an. Wobei ich mich seitdem letzten Gottesdienst mit dem Bundestag frage, wo in einer Kirche rechts und links ist. Beim Auto und in der S-Bahn ist das einfach. Rechts und links wird nach der Fahrtrichtung bestimmt. In einer kontemporären Gemeinde ist das wahrscheinlich auch so.

Von der Bühne her dampfte der Party-Nebel und sorgte für eine abwechslungsreiche Lichtwirkung. Über die drei Leinwände flimmerten kurze Videos und ein Countdown. Bei ICF geht es fünf nach elf los. Medial alles sehr professionell und ansprechend. Interessant wäre, in welchem Turnus die coolen Videos wiederholt und neu erstellt werden. Der Nebel machte meinen Hals trocken. Ich leerte die Kaffeetasse.

Lobpreis auf Englisch

Die große Handtasche hatte ich gar nicht bemerkt. Plötzlich setze sich eine Frau zu mir und stellte sich kurz vor. „Dann lass uns einen schönen Gottesdienst haben“, sagte sie nach einem kurzen Smalltalk und das Lobpreisteam startete mit dem ersten Lied. Fast Alles wurden auf englisch gesungen. Eine Übersetzung gab es unter den Texten an der Leinwand. Ich kannte nicht eines der Lieder, konnte aber relativ schnell mitsingen.

Predigtreihe über Johannes 15

Neben mir setzte sich ein Matthias – Sammelbegriff in meinem Alterssegment – und stieß meine Kaffeetasse um. Egal, die war ja schon leer. ICF-Pastor Stefan Hänsch schloss heute eine Predigtreihe ab: „Die Kraft des Gleichen“. Heute sollte es um nachhaltigen Erfolg gehen. Dass ICF keine Transformation zum Wohlstands- und Wohlfühlevangelium macht, war eine der ersten Aussagen der Predigt. Wenn ich Befehle wie „use constant PFAD => $ENV{‚DOCUMENT_ROOT‘}“ in meinen Programmen verwende, so war die Formel 5x+1 den ganzen Gottesdienst über präsent. In dieser Formel ist die Eins konstant. Und jeder Christ sollte wissen, dass diese konstante Eins gleichbedeutend mit Jesus ist. Der nachhaltige Erfolg stelle sich also ein, wenn man sich auf die einzige Konstante, nämlich Jesus, konzentriert und ihn als Basis und Quelle sieht.

Gestützt war die Predigtreihe auf Johannes 15. Dort geht es um den wahren Weinstock, die Reben, die Frucht und den Weingärtner. Die Gemeinde war herausgefordert, mehrere Wochen lang, genau diesen Text täglich zu lesen und darüber nachzudenken.

Stefan Hänsch sprach aber nicht von der Herausforderung, sondern von der Challenge. Die Bedeutung dieses Wortes kannte wohl jeder im Saal. Überhaupt verwendete er viele Anglizismen und war dialektisch nicht ein einziges Mal als gebürtiger Sachse zu erkennen. Deshalb war ich erstaunt, als er diese Herkunft in die Predigt einfließen ließ.

Postludium

Nach der Predigt gab es eine weitere bewegende Zeit mit Sologesängen unter anderem von Thirzah. Ich überlegte, welcher Bibelstelle dieser Name zuzuordnen sei und verortete sie zunächst bei Mose. Das war fast richtig. Sie taucht in 4. Mose 27, 1 als eine von fünf Töchtern auf, die ihren Vater Zelophehad beerben sollten. Dieser hatte keine Söhne und löste damit die Diskussion über einen rechtlichen Sonderfall aus.

Es wurde noch einmal kurz die Bedeutung der Beziehung zu Jesus erklärt und ein gemeinsames Gebet zur Auffrischung dieser Beziehung gesprochen. dann folgte eine Art Segen und die offizielle Verabschiedung. Das war für fast alle ICF-Besucher ein Signal zum schnellen Verlassen des Saales.

Namensvetter und andere Bekannte

Mein Nachbar und Namensvetter sprach mich an und fragte, wie lange ich schon bei ICF sei. Ich sagte ihm, dass ich nur Gast sei und gleich zu Saddleback fahre, um dort meine Familie abzuholen. Der unaufhörlich in den Saal strömende Party-Qualm ließ meine Stimme versagen. Matthias schien bereits daran gewöhnt zu sein. Jedenfalls stellten wir fest, dass wir so einige gemeinsame Bekannte hatten und dass auch ein Ex-Mitglied meiner Ex-Gemeinde aktiv bei ICF eingestiegen sei. Das freute mich.

Wir unterhielten uns so angeregt, dass das kein Smalltalk mehr war. Anschließend grabbelte ich die Tasse unter dem Stuhl hervor und ging in den lichten Vorraum. Dort tobte das Leben. Der Pastor diskutierte an einem Stehtisch und ich drängte mich durch die Besucher. Mitglieder gibt es bei ICF wohl nicht. Wer kommt, ist eben da und wer nicht mehr kommt, muss nicht extra austreten. Am Tresen stellte ich die Tasse in eine Geschirr-Kiste und verließ den Ort des Geschehens. Mit einer Zwei-Punkt-Wendung setzte ich den Wagen frei und rollte über die nassen Straßen in Richtung City.